- durch loyale Kunden, also solche, die dem Unternehmen und seinen Leistungen emotional verbunden sind, die deshalb gerne immer wieder kaufen und zu aktiven Empfehlern werden
>>>
das ist die ergiebigste Art
- durch neue Kunden, die zum ersten Mal bei einem Unternehmen kaufen
>>> das ist die aufwendigste und kostenintensivste Art
- durch abgesprungene, also ehemalige Kunden, die zurück gewonnen werden können
>>> das ist die am wenigsten beachtete Art.
Die Neukunden-Gewinnung ist in vielen Branchen völlig ausgereizt. Die Märkte sind gesättigt. Erstnutzer werden immer seltener. Das Wachsen geht nur noch zu Lasten des Wettbewerbs – und oft über ruinöse Preiszugeständnisse. Auch die Bestandskundenpflege wird zunehmend beschwerlich. Kunden sind informierter, gewiefter und flatterhafter geworden – und eigentlich nie so richtig zufrieden. Klassische Kundenbindungsstrategien funktionieren nicht mehr. Die Wechselbereitschaft ist sozial akzeptiert. Und sie steigt dramatisch.
Da bleibt nur noch die dritte Säule im Kundenbeziehungsmanagement: der verlorene Kundenbestand - ein vielfach tabuisiertes und weitgehend noch unentdecktes Potenzial mit gewaltigen Ertrags-Chancen. Die professionelle Kundenrückgewinnung muss somit stärker in den Brennpunkt rücken. Sie kann sich zu einem zentralen Wettbewerbsvorteil entwickeln.
Auf immer und ewig?
Dauerhafte Bindungen sind in unserer Gesellschaft zu einem Auslaufmodell geworden. Kunden ziehen nomadisierend von einem Anbieter zum nächsten. Denn sie haben die Qual der Wahl. Dank Ebay wird kräftig entrümpelt, um Platz für Neues zu schaffen. Und seitdem alles Kaufenswerte per Internet in Windeseile durchschau- und meist auch bequem kaufbar ist, wird der Wunsch nach Abwechslung immer größer. Dem ewigen Locken des Neuen erliegt man nur allzu gern. Selbst durch und durch zufriedene Kunden machen sich auf und davon. Denn das Risiko von Fehlkäufen ist - dank hoher Qualitätsstandards und großer Markttransparenz - heute gering.
Unternehmen werden also zukünftig noch weiter verstärkt Kunden verlieren. Wer allerdings immer nur auf Neukunden schielt und seine Verkäufer für Eroberungen bezahlt, geht diese Entwicklung auf strategisch falsche Weise an. Bei solchen Beutezügen handelt es sich ja meist um die Kunden der Konkurrenz – und der Kampf um sie verursacht auch eigene Wunden: Schmerzhafte Preiszugeständnisse und Konditionen-Geschacher treiben ganze Branchen an den Rand des Ruins.
Wer so an vorderster Front zugange ist und alle verfügbaren Waffen ins Schlachtfeld wirft, vergisst womöglich den Blick zurück. Da wird nämlich schon kräftig am eigenen Kundenstamm gesägt. Während die einen tatenlos die Untreue ihrer Kunden beklagen, tun die anderen alles, um das Überlaufen der Wechselbereiten zu begünstigen. Ihren Mitbewerbern geht es übrigens genauso. Während die vorne bei Ihnen baggern, brechen denen hinten die Kunden weg.
Der vergessene Kunde: ein wertvoller Schatz
In stagnierenden Märkten verlieren Unternehmen im Schnitt genau so viele Kunden, wie sie hinzugewinnen. Sich gezielt um die Abtrünnigen zu kümmern, wäre ein gangbarer Weg aus diesem Dilemma. Doch das Kundenjagen steht höher im Kurs. Warum das so ist? Mit neuen Kunden kann man sich prächtig schmücken. Mit dickem Neugeschäft lässt sich in der Presse prima prahlen. Über errungene Marktanteile kann man stolz im Jahresbericht schwadronieren. Ach übrigens: Unternehmen anstatt Kunden zu jagen ist nur eine neue Variante des gleichen Spiels. Fusionen sind oft nichts anderes als Plünderungen auf dem Schlachtfeld der Wirtschaft. Testosteron-gesteuerte Alphatierchen tragen eben am liebsten Sieger-Trophäen nach Hause.
Über verlorene Kunden schweigt man sich dagegen besser aus. Verlorene Kunden sind die ungeliebten Kinder des Verkaufs. Denn sie haben unangenehme Wahrheiten parat. Sie führen uns Niederlagen und persönliches Versagen vor Augen. Sie können der Karriereplanung im Weg stehen. Oder einen Schatten auf die eigene Herrlichkeit werfen. Vor allem aber: Den Abtrünnigen nachzulaufen hat einen entwürdigenden Beigeschmack. Für Siegertypen ist das nichts.
Jäger oder Sammler?
Der gleiche Verkäufer, der sich für einen mittelmäßig erfolgversprechenden Neukunden mächtig ins Zeug legt, lässt einen ehemals hochprofitablen Kunden ziehen, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen. ‚So ist das nun mal im Business. Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. Und Reisende soll man nicht aufhalten’ heißt es nur lapidar.
Oder es werden alle möglichen scheinbar plausibel klingenden Gründe angeführt, weshalb sich das Nachlaufen nicht lohnt: Besagter Kunde war ja sowieso nicht lukrativ, er war ein Ekelpaket, er hat den Innendienst tyrannisiert, kaufte nur die Verlustbringer, verlangte immer das Unmögliche, reklamierte ständig. Wie gut, dass er weg ist. – Aha!
Schlimmer noch: Der Abtrünnige wird, dank unkluger Incentive-Programme erst dann wieder kontaktiert, wenn er als Neukunde gilt. Eines ist sicher: Das Kommen und Gehen der Kunden wie in einem Taubenschlag verursacht gewaltige Schäden! Verkäufer interessiert das allerdings herzlich wenig, wenn gerade mal wieder Neugeschäft bonifiziert wird! Wie wäre es, stattdessen das Vermeiden von Kundenverlusten und die systematische Rückgewinnung profitabler Kunden zu incentivieren?
Die meisten abgewanderten Kunden sind es wert, reaktiviert zu werden. Allerdings: Dies ist kein Glücksspiel, sondern bedingt ein strukturiertes Vorgehen. Die mit der Rückgewinnung betrauten Mitarbeiter benötigen eine Vielzahl von Vorgehensweisen, Techniken und Tools, um sich ganz individuell auf ihre Comeback-Kunden einstellen zu können. Vor allem aber müssen sie Menschenversteher sein. Denn das erfolgreiche Wiedergewinnen verlorener Kunden ist eine delikate Angelegenheit. Es erfordert nicht nur Fingerspitzengefühl sondern auch eine dicke Portion Mut.
Der Prozess des Kundenrückgewinnungsmanagements
Das Kundenrückgewinnungsmanagement, im englischen als Customer Recovery bezeichnet, beginnt dort, wo alle Loyalisierungsmaßnahmen erfolglos blieben, wenn also der Kunde die Geschäftsbeziehung offiziell beendet bzw. das Unternehmen stillschweigend verlassen hat. Demnach ergeben sich folgende Ansatzpunkte:
- das Kündigungsmanagement mit dem Ziel des Abwehrens bzw. der Rücknahme von Kündigungen
- das Revitalisierungsmanagement mit dem Ziel der Wiederaufnahme der abgebrochenen bzw. eingeschlafenen Geschäftsbeziehung.
Nun geht es darum, zu erkennen, wer aus welchen Gründen abgewandert ist und wen man wie zurückholen kann und will, um es im zweiten Anlauf besser zu machen. Der Prozess des Rückgewinnungsmanagements lässt sich somit in fünf Schritten darstellen:
1. Identifizierung der verlorenen bzw. schlafenden Kunden
2. Analyse der Verlustursachen
3. Planung und Umsetzung von Rückgewinnungsmaßnahmen
4. Erfolgskontrolle und Optimierung
5. Prävention bzw. Erzielung einer 2. Loyalität
Alle Maßnahmen zielen letztlich auf den fünften Schritt: der Prävention von Kundenverlusten. Denn noch besser als verlorene Kunden zu reaktivieren ist es, erst gar keine zu verlieren. Und bei den zurück gewonnenen Kunden gilt es, eine 2. Loyalität aufzubauen. Eine dritte Chance gibt es so gut wie nie.
Je länger ein Unternehmen einen rentablen Kunden hält, umso mehr Gewinn kann es durch ihn erzielen. Oberstes Ziel sollte es daher sein, möglichst keinen einzigen profitablen Kunden zu verlieren, den man behalten will. Hohe Kundenloyalität und niedrige Abwanderungsraten sichern den dauerhaften Geschäftserfolg. Das Kundenrückgewinnungsmanagement ist ein äußerst wirkungsvoller Baustein auf dem Weg zu diesem Ziel.