Nie wieder sprachlos - souverän bei Kritik, Einwänden und
Geschrieben am Mittwoch, 06. Februar 2008 von 77
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Auch wenn es nur alle Jubeljahre vorkommt: Die Angst sitzt verdammt tief, durch Kritik, Einwände oder gar unfaire verbale Angriffe anderer blossge-stellt zu werden. Gerade dann, wenn dies nicht unter vier Augen geschieht, sondern auch noch in größerer Runde - z.B. der Chef einen vor den versammelten Kollegen kritisiert.
Was befürchten wir, wovor haben wir solche Angst? Peinliche Sprachlosigkeit ist es, die uns meist allein bei kurzen Gedanken daran die Schweißperlen auf die Stirn treibt.
Das muss nicht sein...
Es ist Montagmorgen um 9.30 Uhr: Verkäufer Müller geht, in Gedanken noch im schönen Wochenende, mit der frisch gebrühten Tasse Kaffe ins Konferenzzimmer. Die wöchentliche Abteilungsbesprechung steht an. Nichts besonderes: Reine Routine, dem Chef einfach 45 Minuten zuhören und Recht geben, denkt Müller und nimmt auf seinem Lieblingsstuhl platz.
Fünf Minuten Zahlen und Fakten, Müller ist ein wenig abwesen, was sich schlagartig ändert, als er seinen Namen hört. „Müller“, so Abteilungsleiter Richter vor den anwesenden 12 Kollegen „Sie sind ja noch viel inkompetenter als ich sowieso schon dachte“ hört er ihn noch sagen. „Was haben Sie dazu zu sagen?“
Bums, das hat gesessen! Der Blutdruck steigt, das Herz rast, wirre, ungeordnete Gedanken jagen Müller durch den Kopf. Dann passiert es: Müller will vieles, am Besten alles auf einmal sagen: Rechtfertigungen, Begründungen … - jedoch bleiben Ihm die Worte im Hals stecken. Die Sekunden vergehen wie Stunden, die Runde schaut ihn an, Müller merkt, dass er rot wird. Als er sich endlich wieder ein wenig gefasst hat, etwas zu seiner Rechtfertigung sagen will, ist Abteilungsleiter Richter längst bei einem anderen Thema. Der unfaire Vorwurf der Inkompetenz bleibt wie Honig an ihm kleben.
Jeder kennt diese Situationen, die meisten fürchten sie: Eine plötzliche verbale Attacke, eine provozierende Äußerung oder Behauptung und man ist sprachlos, es fehlen die Worte!
Woran liegt es wohl, dass es den meisten Menschen immer wieder aufs Neue so ergeht? Welche Möglichkeiten gibt es, um auch dann sicher und souverän zu bleiben, wenn es einen einmal so richtig kalt erwischt hat?
In vielen Fällen rührt diese spontane, situationsgebundene Sprachlosigkeit daher, dass der Gesprächspartner bzw. Provokateur beim Gegenüber voll ins Schwarze getroffen hat: Er hat ihn emotional attackiert, seine Ehre, Kompetenz oder Glaubwürdigkeit in Frage gestellt – und dies tut doppelt weh, wenn es vor anderen passiert.
Der Getroffene nimmt es persönlich, oft werden Selbstzweifel und Schuld-gefühle geweckt, die Angst vor peinlichem, öffentlichem Versagen ist plötzlich da. Was bleibt ist dann nur die Wut, Rat- oder eben auch Sprach-losigkeit. In jedem Fall negative Emotionen, ein sicherer Garant für innere Turbulenzen und schlechte Entscheidungen. Klare Gedanken und gezielte Reaktionen sind dann fast unmöglich.
Sind diese negativen Situationen von vornherein sicher vermeidbar?
Wohl kaum, denn niemand weiß, was in den Köpfen anderer Menschen vor sich geht. Oft wurden diese selbst sogar kurz zuvor unbewusst und ohne Absicht bloßgestellt und verletzt. Wir haben also oft keinen Einfluss darauf, dass etwas (unangenehmes) passiert – wir haben jedoch großen Einfluss auf unsere Reaktion. Wir allein entscheiden über das Ergebnis. Und eines steht fest: Das wirklich unangenehme Gefühl, rat- und sprachlos dazustehen, lässt sich vermeiden. Souveränität beziehungsweise Schlagfertigkeit ist nicht angeboren, sondern von jedermann leicht erlernbar.
Zwei wichtige Faktoren spielen eine Rolle: Zunächst einmal, die Provokation nicht persönlich zu nehmen. Das hat mit einer gewissen Leichtigkeit und viel Toleranz gegenüber anderen Menschen und Meinungen zu tun. Und mit der Gewissheit; dass man meist nicht als Person angesprochen ist, sondern lediglich als Sündenbock für fremde Stimmungen, Selbstzweifel oder sogar Unsicherheit herhalten sollen. Dies zu wissen ist der erste Erfolgsfaktor.
Der zweite Trumpf liegt in der Vorbereitung. Wie viel ist 3 mal 3? Die Antwort ist einfach. Und genau das ist es, was in diesen heiklen Momenten zählt: Einfache, intuitiv abrufbare „Notrezepte“. Um Zeit zu gewinnen und klare Gedanken zu entwickeln, ohne sprachlos zu wirken. Wertvolle Zeit, um sich zu sammeln, vorauszudenken und die passende Antwort zu finden. Genau darin liegt die Ursache für häufiges Versagen: Viele Menschen versuchen, nach einer solchen Attacke auch noch spontan geistreich zu reagieren. Das ist meist zum Scheitern verurteilt, denn wir sind in diesem Moment nur selten zu klarem Denken fähig.
Die Gedanken kreisen ziellos umher, wir sind emotional betroffen und blockiert. Umso mehr muss alles, was wir jetzt vorhaben, mit der größten Leichtigkeit abrufbar sein. So, wie das Ergebnis von 3 mal 3.
Wie können wir die wertvolle Zeit gewinnen, die wir so dringend brauchen? Durch einfach strukturierte, leicht zu merkende (Gegen-)Fragen beziehungsweise Antworten, die immer passen und unser Gegenüber garantiert erst einmal beschäftigen, z.B.:
„Wie bitte?“
„Wie meinen Sie das?“
„Wie darf ich Sie verstehen?“
„Wie kommen Sie darauf?“
Auf diese oder ähnliche Fragen hat das Gegenüber immer erst einmal zu antworten, denn wir hinterfragen seine Aussage und verlangen eine sachliche Begründung. Das bedeutet: Wir haben Zeit, um über diese Aussage nachzudenken und uns die nächsten Worte zurecht zu legen. Denn jetzt kommt es darauf an, wie der Chef diesmal reagiert. Fällt seine Antwort einigermaßen sachlich und nachvollziehbar aus, dann ist es für alle Beteiligten am besten, wieder zur Tagesordnung überzugehen. Bleibt er hingegen bei seinem provozierenden, persönlich angreifenden und verletzendem Verhalten und antwortet etwa:
„Das werde ich Ihnen doch nicht begründen. Jeder weiß es!“, dann ist die nächste Reaktion angebracht: „Sind Sie sicher?“ oder „Wer ist denn jeder?“. Spätestens auf diese Frage muss er vernünftig reagieren, um sich nicht selbst zu disqualifizieren und bloßzustellen.
Zwei kleine Fragen verschaffen uns wertvolle Zeit und Luft. Wir spielen den Ball immer sanft dem anderen zu, beschäftigen ihn, bringen ihn in Zugzwang. Er muss begründen und reagieren, nicht wir.
Wenn wir beim Provokateur so richtig für Verwirrung und Unverständnis sorgen beziehungs-weise seine Verbalattacke ad absurdum führen wollen, dann ist die Überzeichnung sehr wirkungsvoll: Die provozierende Äußerung wird aufgegriffen, bestätigt und sogar verstärkt: Wir antworten, kombiniert mit einem Lächeln und festem Blickkontakt: „Ja“, „Stimmt!“, „Genau!“, „Darauf lege ich großen Wert!“. Danach ein selbstverständlicher Blick in die Runde: Wer glaubt ihnen dies schon? Die Äußerung des Provokateurs wird automatisch ins Humorvolle beziehungsweise Lächerliche gezogen. Diese Strategie ist mit Vorsicht zu genießen. Denn natürlich besteht die Gefahr, dass sich der Gesprächspartner, aufgrund seiner Ohnmacht, seinerseits provoziert fühlt. Die Überzeichnung ist dann ein guter Weg, wenn die zuvor beschriebenen Mittel nicht helfen oder wenn es wichtig ist, dem Gegenüber ein für alle Mal Einhalt zu gebieten.
Das Wichtigste zur „Schlagfertigkeit“ nochmals im Überblick:
Souveränität und Schlagfertigkeit bei verbalen Attacken
1. Nehmen Sie provokante, beleidigende oder bloßstellende Äußerungen nie persönlich! Lachen Sie darüber, denn Sie fallen auf solche Manöver einfach nicht mehr herein. Sie haben ab sofort pfiffige Antworten parat, mit denen der andere nicht rechnet und die ihn in Zugzwang bringen.
2. Schauen Sie Ihr Gegenüber an, reagieren Sie darauf mit
- Fragen: „Wie bitte?“, „Wie meinen Sie das?“, „Sind Sie sich sicher?“.
So gewinnen Sie auf jeden Fall erst einmal Zeit und der andere muss
seine Aussage wiederholen oder begründen.
- verwirrenden bzw. provozierenden Aussagen:
„Ja!“, „Stimmt!“, „Genau!“ „Darauf lege ich großen Wert“ oder „Ich wollte mich Ihnen gerne anpassen!“
Sie werden sehen: Ihr Gegenüber ist wie angewurzelt, fassungslos aufgrund Ihrer „spontanen“ Reaktion. Darauf folgt meist allgemeines Gelächter (zu Ihren Gunsten!) oder der Provokateur sucht entnervt oder auch respektvoll das Weite. Dasselbe gilt übrigens für unfaire oder unsachliche Kritik.
Fazit: Schlagfertigkeit ist kein Hexenwerk. Was zählt ist Humor, Toleranz und ein gewisses Maß an Gelassenheit. Leichter gesagt als getan? Mitnichten: Das Wissen um die jederzeit leicht abrufbaren „Notrezepte“ sorgt genau für die Leichtigkeit und Souveränität, die zählt.
Ingo Vogel
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